17. August 2017

Aller Abschied ist schwer

Das Steckenpferd von Florian Lennert ist die integrierte Verkehrs- und Energiewende. Für das Berliner Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) leitet er das Intelligent City Forum, eine Koordinierungsgruppe für führende Forschungsinstitutionen in den Bereichen erneuerbare Energien, vernetzte Mobilität und intelligente Infrastrukturen. Gleichzeitig ist er auch als Projektberater auf der ganzen Welt unterwegs – ob in Berliner Kiezen oder in der chinesischen Provinz. Wir haben uns über den Wandel urbaner Mobilitätssysteme unterhalten und sind in diesem Zusammenhang unter anderem auch auf die Rolle der Autoindustrie zu sprechen gekommen.

Viktor Hildebrandt: Herr Lennert, es wird oft behauptet, dass uns aktuelle gesellschaftliche und ökologische Entwicklungen dazu nötigen, unsere Städte und unser Zusammenleben darin radikal umzuorganisieren. Stimmen Sie dieser Aussage zu?

Florian Lennert: Ich bin nicht sicher, ob wir die Städte wirklich ganz so radikal umorganisieren müssen, wie es manchmal dargestellt wird. Wir werden sicherlich verschiedene Stadtsysteme umbauen müssen und in mancherlei Hinsicht wird dieser Umbau auch durchaus radikal sein. Aber in erster Linie wird es darauf ankommen, bestehende Stadtsysteme besser zu verknüpfen, um die Effizienz des Stadtgefüges insgesamt zu steigern. Nur so werden wir den immer weiter wachsenden Konsum und die immer größeren Bevölkerungszahlen bewältigen können. Lange Zeit haben wir uns im Kampf gegen den Klimawandel vorrangig darum bemüht, alle möglichen Verbrauchswerte zu reduzieren, also zum Beispiel den Benzinverbrauch von Autos oder den Energieverbrauch von Haushalten. Einsparungen in diesen Bereichen klingen zunächst vielversprechend, haben aber in der Vergangenheit nicht besonders viel bewirkt.

Warum ist das so?

Ich kann Ihnen ein Beispiel geben: In Deutschland wurde in den vergangenen Jahren sehr viel getan, um den Energieverbrauch der Haushalte zu senken. Durch eine Reihe von Maßnahmen hat man es tatsächlich geschafft, innerhalb von zehn Jahren rund zehn Prozent der Energie, die in Haushalten verbraucht wird, einzusparen. Doch das hat, wenn man sich die absoluten Verbrauchswerte ansieht, im Prinzip nichts bewirkt. Warum? Weil gleichzeitig die durchschnittliche Wohnfläche pro Haushalt um zehn Prozent gestiegen ist. Genauso verhält es sich mit dem Benzinverbrauch der Autos. Geringerer Verbrauch bringt nichts, wenn gleichzeitig mehr Autos durch die Straßen rollen und/oder die Menschen häufiger damit fahren. Heute bemühen wir uns deshalb verstärkt darum, Effizienzsteigerungen systemisch zu erzielen und nicht länger in einzelnen Silos. Das wird aber nur gelingen, wenn wir verschiedene Infrastruktursektoren besser miteinander verknüpfen. Das wird derzeit unter dem Stichwort “Sektorkopplung” hin und her diskutiert.

„In erster Linie wird es darauf ankommen, bestehende Stadtsysteme besser zu verknüpfen.“