Man muss schon ein bisschen Fantasie mitbringen, wenn man durch den Maschendrahtzaun auf das Gelände des Flughafens Tegel schaut und sich vorstellt, wie es hier in wenigen Jahren aussehen soll. Ein moderner Forschungs- und Industriepark und ein lebendiges Stadtquartier mit Wohnungen, Parks, Schulen und Kitas? Im Moment ist da nur Wiese und Beton.
Um genau diese Fantasie anzuregen, lud die Tegel Projekt GmbH am vergangenen Samstag zur 8. Öffentlichen Standortkonferenz „Nachnutzung Tegel“ in das WECC am Westhafen. Berlin wächst nach wie vor rasant und braucht dringend Flächen zum Wohnen und zum Arbeiten. In einem offenen Marktplatzformat stellten die zukünftigen Nutzer und Akteure ihre Ideen und Planungen für die Zukunft dieser Flächen vor.
DIE ERSTEN SOLLEN SCHON 2018 EINZIEHEN
Urban Tech Republic und Schumacher Quartier sollen gemeinsam das neue Stadtquartier bilden, das den Randbezirk Reinickendorf mit der Berliner Mitte verbindet. Einen ersten Eindruck gaben die Entwürfe der Planungsbüros scheuvens + wachten plus und WGF Landschaft, die vor Ort begutachtet werden konnten.
Besonders die Nutzer, die als erstes einziehen sollen, scharren bereits mit den Hufen. Denn was alle Akteure eint ist ein Platzbedarf: für Teststrecken, für Räumlichkeiten, für Experimentierfelder. Davon hat Tegel genug – knapp 5 Hektar Fläche stehen insgesamt zur Verfügung.
Die Beuth-Hochschule, die mit ca. 2.500 der derzeit 12.000 Studierenden in das markante Hexagon ziehen wird, sitzt bereits auf gepackten Kisten. Künftig sollen sich Studiengänge wie Elektrotechnik, Gebäudeenergietechnik, Landschaftsarchitektur oder Phytotechnologie am neuen Standort zusammen finden. Also all jene, die sich mit urbanen Technologien befassen. „In Tegel haben wir den Platz, für diese Studiengänge einen voll ausgestatteten Campus mit Vorlesungsräumen, Bibliothek, Mensa, Kitas und Forschungslabors an einem Ort einzurichten,“ freut sich Prof. Dr.-Ing. Michael Kramp, Vizepräsident für Studium, Lehre und Internationales.
Ein weiterer Erstbezieher wird die Berliner Feuerwehr- und Rettungsdienst-Akademie sein. Die hat ein Platzproblem auf dem Gelände in Schulzendorf, wo die Aus- und Weiterbildung der mehr als 5.000 Einsatzkräfte aus Berufs- und Freiwilliger Feuerwehr sowie aus dem Not- und Rettungsdienst derzeit stattfindet. Harald Herweg, Branddirektor und Leiter der Akademie freut sich außerdem darauf, den Ausbildungsbetrieb in Tegel auf den neuesten technischen Standard heben zu können und neue Möglichkeiten zu nutzen: „Für uns sind die Hangars ein besonderes Highlights, denn dort wird die Ausbildung endlich unabhängig von Witterung und Jahreszeit sein.“
Die räumliche Nähe zu anderen Akteuren ist ebenso vielversprechend. Beuth-Hochschule und Feuerwehr-Akademie arbeiten schon jetzt an Plänen für einen gemeinsamen dualen Studiengang und die Nachbarschaft zu den Startups und Unternehmen, die sich in dem Themenspektrum ansiedeln werden, bietet ganz neue Möglichkeiten der Kooperation. So kann die Hochschule beispielsweise kleine und mittlere Unternehmen in der Entwicklung unterstützen und von den größeren Unternehmen direkten Input über Bedarfe bekommen, die dann wieder in den Studiengängen abgebildet werden können.
NEUE ARBEITSPLÄTZE UND WOHNUNGEN FÜR DAS WACHSENDE BERLIN
Auch Tanja Kufner vom Startupbootcamp verspricht sich viel von diesem neuen Hub für Tech-Startups und Unternehmen, denn trotz Digitalisierung scheint eine persönliche Beziehung noch immer ausschlaggebend für die Entstehung von Kooperationen.
Kufner will die Startups, die ihre Initiative aus der ganzen Welt nach Berlin holt, in Tegel ansiedeln, damit sie voneinander lernen und gemeinsam das Thema Urban Tech voran treiben können. „Der Standort ist wertvoll für das Startup-Ökosystem. Wer einmal in Berlin ist, der will auch bleiben. Also müssen wir die Infrastruktur dafür schaffen denn Berlin braucht diese Internationalität und diese Talente, um als Wirtschaftsstandort attraktiv zu bleiben,“ so Kufner.
Aber auch wohnen wollen die Studenten und Startup-Mitarbeiter irgendwo. Und nicht nur die – mit 30 bis 40 tausend Menschen, die jährlich nach Berlin ziehen, braucht die Stadt pro Jahr rund 15 bis 20 tausend neugebaute Wohnungen. Deshalb sollen nebenan im neuen Schumacher Quartier rund 5.000 Wohnungen entstehen. Das Großprojekt wird sich durch eine intelligente Mischung aus gefördertem und freifinanziertem Wohnungsbau auszeichnen. Wohnungsbaugesellschaften, Baugenossenschaften aus Reinickendorf sowie private Baugruppen sind involviert, studentisches Wohnen wird ebenso mitgedacht.
Jörg Franzen von der Gesobau erklärt das so: „Der Mix macht die Qualität von Quartieren aus, das kann man überall in der Stadt sehen. Wo es besonders bunt ist, da fühlen sich die Menschen am wohlsten. Deshalb planen wir ein gemischtes Wohnviertel mit Wohnungen für alle Einkommensstufen und Lebenssituationen.“
Thomas Koch vom Berliner Mieterverein betonte, wie wichtig es sei, auch die benachbarten Quartiere mit in die Planungen einzubeziehen. Hierzu gab es im Vorfeld der Standortkonferenz eine Reihe von Dialog-Veranstaltungen zum Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK), bei denen Anwohnerinnen und Anwohner, Akteuere und Interessierte ihre Wünsche, Sorgen und Vorschläge in den Planungsprozess einbringen konnten. „Auf diesen Veranstaltungen würden 22 Bürgervertreterinnen und -vertreter gewählt, mit denen wir uns jetzt weiter zusammen setzen um einzelne Punkte intensiv heraus zu arbeiten“, berichtete Sabine Slapa vom Planungsbüro Die Raumplaner. Im September soll es die nächste Veranstaltung geben, zu der wieder alle eingeladen sind, mit den Stadtplanern zu diskutieren.
Philipp Bouteiller und sein Team von der Tegel Projekt GmbH freuen sich über die Gelegenheit, so ein großes Stück neue Stadt zu planen. „In der Urban Tech Republic kann von der Ideengebung bis zur Massenproduktion alles an einem Ort passieren. Dazu stellen wir Wohnen, Leben und Arbeit in einen räumlichen Zusammenhang. So wie man eben moderne Stadt planen würde.“
Die rund 1.000 Besucherinnen und Besucher jedenfalls schienen überzeugt. „Es verändert sich, es wächst, eigentlich ist das doch fantastisch“, fasste eine Besucherin ihre Eindrücke bei Veranstaltungsende zusammen.
Aus Sicht der Veranstalter war das Marktplatzformat ein großer Erfolg und wurde gut angenommen. Man kam ins Gespräch und konnte sich austauschen, so entstand eine Lebendigkeit, die zum Dialog anregte und neue Impulse für die Planungen gab.
„So ein Quartier wächst zunächst in den Köpfen und zwar indem Menschen zusammen arbeiten und miteinander reden. Insofern war es toll, alle an dem Prozess Beteiligten in einer Veranstaltung beisammen zu haben. Das werden wir in ähnlicher Form sicher wiederholen“, resümierte Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup, Staatssekretär für Bauen und Wohnen die Standortkonferenz.