Es ist heiß an diesem Sommerabend im Juni, weit über 30 Grad. Auch die Bäume im Innenhof der Beuth Hochschule in Berlin können der Hitze nur wenig entgegensetzen. Dem großen Interesse an der Veranstaltung kann die Hitze aber nichts anhaben: Über 100 Gäste sind der Einladung der Tegel Projekt GmbH zum Parlamentarischen Abend gefolgt. Zum zweiten Mal nach 2017 erhalten sie hier die Möglichkeit, sich bei diesem politischen Format aus erster Hand über den Planungsstand zu informieren und die Herausforderungen und Chancen zu diskutieren, die mit der Stadtentwicklung im Berliner Nordwesten einhergehen.
ZEHNTAUSENDE ARBEITSPLÄTZE & INVESTITIONEN IN MILLIARDENHÖHE
Was das Besondere an dieser Entwicklung ist, stellt Philipp Bouteiller, der Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH gleich zu Beginn klar: Bei den Projekten Berlin TXL und der angrenzenden Siemensstadt gehe es um Zehntausende Arbeitsplätze und um Investitionen von zehn bis zwölf Milliarden Euro in den nächsten 20 Jahren im Nordwesten Berlins. „Was da an Gravitas entsteht, ist neu für diese Stadt“, ist sich Bouteiller sicher. Und er verweist auf den erfreulichen Trend, dass die Arbeitsplätze in Berlin in den letzten Jahren noch schneller gewachsen seien als die Einwohnerzahlen. Mithilfe von Berlin TXL und Siemensstadt werde sich dieser Trend fortsetzen. Dass die Stadt von weiterem Wachstum profitieren werde, davon sind auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Parlamentarischen Abends überzeugt: 87 Prozent geben beim Live-Voting an, dass sie das Wachstum als „große Chance“ für Berlin wahrnehmen.
BERLINS WACHSTUM ALS INVESTITIONSGRUND
Das sieht auch die Projektleiterin der Siemensstadt, Karina Rigby, so. Dass „Berlin wie verrückt wächst“ sei – neben dem Investitionsklima in der Stadt und den Infrastrukturzusagen des Senats – einer der Hauptgründe für Siemens‘ Engagement am alten Stammsitz gewesen. Rigby muss sich allerdings noch etwas länger gedulden als ihr Kollege Bouteiller, bis ihr Projekt ganz konkret etwas zum Wachstum beitragen kann. Während in Berlin TXL schon ab 2021 die ersten Bagger rollen sollen, wird die Siemensstadt noch ein paar Jahre brauchen, bis sie sich zu dem entwickelt hat, was Rigby einen „Kiez der Macher“ nennt. Darunter versteht die Wahl-Berlinerin vor allem einen „warmen und lebenswerten Standort und kein kaltes Silicon Valley“. Bouteiller macht aber auch klar, welche Verpflichtung das Wachstum Berlins mit sich bringe. Schon jetzt würden die Bedarfe an Industrie- und Büroflächen die ausgewiesenen Potenziale um ein Vielfaches übersteigen. Berlin TXL und die Siemensstadt seien dabei ein Teil der Lösung, aber eben bei weitem nicht ausreichend, so Bouteiller.
BERLINER MISCHUNG ALS LEITBILD
Beiden Projekten gemein ist, dass sie neue Lösungen für das Zusammenleben in der Stadt der Zukunft suchen – und dabei auch die Ansätze der Stadtentwicklung fortschreiben, die sich bereits als erfolgreich herausgestellt haben. Die Berliner Mischung etwa, also die räumliche Nähe von Wohnen und Arbeiten, soll in beiden Projekten eine große Rolle spielen. Auch die Zuschauerinnen und Zuschauer sind im Live-Voting mit großer Mehrheit davon überzeugt, dass diese räumliche Nähe weiterhin als Leitbild in der Stadtentwicklung fungieren soll. Ergänzt wird dieses Prinzip durch eine Reihe innovativer Ansätze in den Bereichen Mobilität, Energie und Wohnen. So wird das Schumacher Quartier in Berlin TXL ein weitgehend autofreies Verkehrskonzept umsetzen und besonders emissionsarme Mobilitätsformen fördern. Ebenso innovativ und ein spannendes Beispiel für die vielen Synergiepotenziale der beiden Projekte ist das neue Energiekonzept von Berlin TXL. Mithilfe der Partner E.ON und Berliner Stadtwerke realisiert die Tegel Projekt GmbH dort in den nächsten Jahren ein neuartiges Niedrigtemperaturnetz. Ein solches LowEx-Netz sei umso effizienter, betonte Bouteiller, je mehr Akteure sich daran beteiligten und warb für eine Erweiterung des Netzes, z.B. in Richtung Siemensstadt.
LEUCHTTÜRME FÜR DIE ENTWICKLUNG DER STADT
Katrin Lompscher, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen ist überzeugt, dass die beiden Projekte für Berlin „eine große Modernisierungs- und Entwicklungschance“ darstellten. Ein Beispiel sei die Infrastruktur der Stadt, bei der die beiden Projekte hohe Ansprüche und die Stadt noch einen gewissen Nachholbedarf hätten. Diesen Ansprüchen zu entsprechen, mache die beiden Projekte zu „Leuchttürmen für die Entwicklung der Stadt“. Exemplarisch deutlich wird das Modernisierungspotenzial bei der Verkehrsanbindung der beiden Projekte. Neben der Verlängerung der Siemensbahn bis zur Siemensstadt sagte Katrin Lompscher auch für den Standort Berlin TXL einen Ausbau der ÖPNV-Anbindung zu.
BERLIN TXL UND SIEMENSSTADT 2.0 ALS DIE GROSSEN RE-INDUSTRIALISIERUNGSPROJEKTE
Besondere Bedeutung kommt insbesondere der Urban Tech Republic und der Siemensstadt aber für die Re-Industrialisierung Berlins zu, wie Monika Gross, Präsidentin der Beuth Hochschule und Gastgeberin des Abends, betonte. Und sie gibt einen Ratschlag, wie die letzten Schritte auf der Zielgeraden für Berlin TXL am besten zu meistern seien. In den vergangenen Jahren sei entscheidend für den Erfolg gewesen, dass sich so viele Akteure gemeinsam um den Erfolg der Nachnutzung bemüht hätten. Und nur gemeinsam seien auch die letzten Schritte zu schaffen.