Am Donnerstag, den 12.11.2020, fand die erste Fachveranstaltung der Reihe „Schumacher Quartier im Dialog“ als Digitalkonferenz statt. Knapp 150 interessierte Teilnehmende verfolgten den Fachaustausch zur Frage: Welche Chancen bietet der urbane Holzbau für neue Quartiere?
Bauhütte als Startnukleus für eine Industrie 4.0
Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einer Einführung von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher zu den Zielen Berlins: „Diesem Pioniercharakter (…des Flughafens Tegel) fühlen wir uns auch in der Entwicklung des Quartiers verpflichtet. Einerseits der Urban Tech Republic, einem Ort für Innovation, und auch in der Entwicklung des Schumacher Quartiers. Wir haben uns ganz früh gesagt, wir wollen hier ein besonderes Quartier entwickeln, ein Modellquartier in dem Innovation ganz groß geschrieben ist. Und wenn man Innovation sagt, dann sagt man gleichzeitig natürlich auch Nachhaltigkeit, wenn es um Stadtentwicklung geht. Wir sagen ja zu ökologischem Wirtschaften und wir sagen ein ganz großes ja zur Kreislaufwirtschaft.“ Frau Lüscher ging noch einmal auf die Bedeutung des Schumacher Quartieres und dessen Entwicklungsziele ein. Ausgehend von vielen guten Berliner und Brandenburger Projekten, die ihm Rahmen des Berliner Holzbaupreises 2019 ausgezeichnet wurden, entstand die Idee, den urbanen Holzbau auch als weitergehendes Entwicklungsprinzip für das Schumacher Quartier und Berlin festzusetzen: „Die große Chance liegt darin, dass wir die Urban Tech Republic mit dem Schumacher Quartier verbinden können und der Fokus darauf, dass wir in Tegel eine Bauhütte entwickeln könnten, die natürlich ihr erstes Pionier- und Baufeld im Schumacher Quartier hat. Aber natürlich wollen wir das Ganze auch größer denken. Es könnte wie ein Startnukleus für eine Industrie 4.0 sein, so dass Berlin ein ganz wichtiger Holzbauindustriestandort wird.“
Bauindustrie als ein Schlüssel zur Klimaneutralität
Die Bedeutung des Holzbaus für das Schumacher Quartier und die Nachnutzungsplanungen stellte Prof. Dr. Philipp Bouteiller, Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH, im Anschluss vor: „Am Anfang stand die Frage: Wie bekommen wir den Nachhaltigkeitsanspruch, den wir als Stadt haben, dort realisiert?“ Die Erreichung der Klimaneutralität bis 2050, derer sich auch Berlin bereits 2016 verpflichtet habe, sei nur möglich, wenn man neben der Energie- auch die Bauindustrie zu neuen Lösungen brächte. Das Schumacher Quartier solle nicht nur ein soziales, sondern auch ökologisches Modellquartier werden, das zeigen kann, wie es gehen kann. Einen Beitrag leisteten viele innovative Konzepte wie das „Prinzip Schwammstadt“ mit Systemen, die das Wasser speichern und so für Verdunstung und Kühlung sorgen können, neue Mobilitätskonzepte für ein „autofreies Quartier“, eine innovative Energieversorgung durch ein „Low-Exergie-Netz“, mehr Biodiversität durch kluge Planung mit „Animal-Aided-Design“. Der urbane Holzbau würde hierbei aber den wesentlichsten Beitrag leisten können. Die ca. 10% Mehrkosten im Vergleich zum konventionellen Bauen, die derzeit im Holzbau noch zu erwarten sind, könne man durch die Etablierung einer Bauhütte 4.0 künftig deutlich senken: Durch ein Kompetenzzentrum für Holzbau, wo Expertinnen und Experten Lösungskonzepte wie z. B. industrielle Vorfertigung, neue Produktionstechniken und Integration von Digitalstrategien entwickeln und zur Marktreife bringen, könne man die Kosten langfristig senken und so nicht nur den eigenen ökologischen, sondern auch ökonomischen Ansprüchen gerecht werden. So könne dieses „Realabor“ in Berlin bedeutende Impulse über die Stadtgrenzen hinweg auch international setzen und die Stadt eine Vorreiterrolle übernehmen.
Im Nachgang hierzu stellten die Verfasser der Studie „Ergebnisse Potentialanalyse Bauhütte 4.0 – Innovations- und Produktionsstandort für den urbanen Holzbau“, Prof. Raoul Bunschoten und Prof. Dr. -Ing. Holger Kohl, die Ergebnisse für eine Holzbauhütte am Standort Berlin TXL vor. Diese wurden im Nachgang mit einer Pressemitteilung veröffentlicht.
Eine praxisnahe Einordung des Themas erfolgte dann durch zwei weitere Impulse: Dr. Denny Ohnesorge vom Hauptverband der Deutschen Holzindustrie stellte die Potentiale des Bauens mit Holz heraus und beleuchtete dabei die Nachschubfrage: „In 50 Tagen wächst im Brandenburger Wald der gesamte jährliche Holzbedarf für alle 17.000 Berliner Wohnungen nach.“ Ein beeindruckender Vergleich, der zeigte, dass der Rohstoff für ein Projekt wie das Schumacher Quartier direkt vor der Tür und bereits jetzt theoretisch zur Verfügung stehe. Darüber hinaus könne man durch regionale Kooperationen aktive Wirtschaftsförderung betreiben und gleichzeitig die Nachhaltigkeitsziele durch kurze Lieferketten verfolgen. Elise Pischetsrieder, Geschäftsführerin, weberbrunner architekten Berlin, zeigte mit Best Practice Beispielen, wie bereits jetzt wirtschaftliche Großprojekte in Holzbaufertigung realisiert werden können.
Im nachfolgenden Diskussionsteil wurde das Projekt mit allen Expertinnen und Experten unter Beteiligung des Publikums diskutiert: eine wiederkehrende Frage war dabei immer wieder die Bezahlbarkeit, der Brandschutz und die CO2 -Bilanz. Klar wurde, dass die Vorfertigung und serielle Fertigung ein zentraler Schlüssel im urbanen Holzbau sind: Dadurch können Bauzeiten und die Kosten minimiert werden. Auch die Verzahnung der verschiedenen Bauakteure entlang der neuen Prozess- und Wertschöpfungsketten und der Aufbau einer neuen Holzbauindustrie ist ein Schlüssel zur Kostenminimierung.
Hier finden Sie eine vollständige Dokumentation der Veranstaltung im Video.
Hier finden Sie die vollständige Chat-Dokumentation zur Veranstaltung:
Hier finden Sie eine Studie von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz zum Thema Holz- versus Stahlbetonbauweise:
Im folgenden finden Sie die Einzelvorträge als Videos sowie die Präsentationen der Vortragenden:
Bauhütte 4.0 als globaler Prototyp – Welche Potentiale ergeben sich für Berlin? Prof. Dr.-Ing. Holger Kohl (IPK Fraunhofer). Hier kommen Sie zum Video.
Präsentation Prof. Dr.-Ing. Holger Kohl als PDF
Vom Wald in die Stadt – Holzbau schafft neue Impulse für das urbane Wohnen. | Dr. Denny Ohnesorge (Hauptverband der Deutschen Holzindustrie). Hier kommen Sie zum Video.
Präsentation Dr. Denny Ohnesorge als PDF
Wie kann innovativer und bezahlbarer Holzbau gelingen? – Best Practices | Elise Pischetsrieder (weberbrunner architekten, Berlin). Hier kommen Sie zum Video.
Präsentation Elise Pischetsrieder als PDF
Projektvisualisierung Bauhütte 4.0 | Prof. Raoul Bunschoten. Hier kommen Sie zum Video.